Willkommen in der Planckwelt
2. Interview in Bonn
und der Physik-Nobelpreis
2012
IZ:
Willkommen
zu unserem 2. Interview in Bonn.
Seit unserem 1. Interview in Bonn
haben 2 Ereignisse
Wissenschaftsgeschichte in der Physik geschrieben .
Am 4.7.2012 wurde die
Entdeckung des 5σ-Higgs
in einer
Pressekonferenz bekanntgegeben, und
am 5. Oktober wurden zwei Quantenphysiker mit dem
Physik-Nobelpreis 2012
ausgezeichnet. Der Physik-Nobelpreis 2012 wurde dann am Todestag von Alfred
Nobel am
10.12.2012
überreicht. Überrascht
Sie, dass Mr. Higgs und das CERN beim Physik-Nobelpreis 2012
leer
ausgegangen sind ?
Autor:
Die
Forscher, die für den
Physik-Nobelpreis 2012 in Frage kamen, wurden im Februar nominiert.
Die
Entdeckung des Higgsbosons wurde im Juli
bekanntgegeben und im August als das fehlende Skalarboson
des Standardmodells identifiziert. Normalerweise benötigt das
Nobelpreiskomitee, das über die
Vergabe des Nobelpreises entscheidet, einige Jahre Zeit, um darüber zu
befinden, welchen Nutzen die
Entdeckung für die Menschheit und für die
Entwicklung der Wissenschaft gebracht hat.
Welchen Nutzen soll das Higgsboson bisher gebracht haben
? Sind wir bei der
Lösung des größten Rätsels
der Physik , dem Ursprung
der Masse , entscheidend voran
gekommen ? Was hat die
Menschheit
von der Entdeckung des Higgsbosons ?
IZ:
Nun, haben wir etwas Geduld mit dem Higgs.
Kommen wir zum Physik-Nobelpreis 2012 . Was haben die beiden
Quantenphysiker erforscht, und wo
ist der Nutzen Ihrer Entdeckung für die Menschheit.
Autor:
Die beiden
Forscher sind mit ausgeklügelten
Experimenten an die Grenze der Quantenwelt vorgestoßen, an die Schnittstelle
von Materie und Licht , jeder auf seine Art. Noch vor einigen Jahren war es
unvorstellbar, das einzelne Atome
und Photonen kontrolliert werden können.
Der amerikanische Physiker Wineland hat Beryllium-Ionen in einer elektrischen Ionenfalle auf 2°K herunter gekühlt
. Die letzte thermische
Zitterbewegung wurde durch Laserlicht eingefroren
. Das einzelne
Beryllium-Ion hat er mit Laserlicht so bestrahlt, dass das Elektron einen Zustand zwischen
zwei Quantenabständen eingenommen hat. Die beiden Quantenzustände haben
sich überlagert .
Diesen überlagerten Quantenzustand konnte Wineland kontrollieren und kollabieren lassen.
IZ:
Die Superposition ist ja gerade das,
was die Quantenphysik so einzigartig macht gegenüber der klassischen
Physik .
Das Ion ist gleichzeitig in zwei
Quantenzuständen. Erst durch
den Messprozess entscheidet sich das Ion für einen
Quantenzustand. Können Sie uns das an einem alltäglichen Beispiel näher erklären ?
Autor:
Nehmen
Sie den Google – Routenplaner .
Sie geben einen Startpunkt und ein Ziel ein, und der Routenplaner
berechnet und minimiert Ihnen die Wegstrecke, die Zeit oder den
Energieverbrauch, je nach der Einstellung.
Oft gibt er Ihnen mehrere Routen an, die zum Ziel führen. Solange Sie sich nicht
entscheiden, überlagern sich
die Routen. Sie zögern die
Entscheidung möglichst lange hinaus.
Wenn auf den Routen Störungen
auftreten
, verändern sich die beiden Zustände zueinander. Aber irgendwann
kommt dann der Punkt, wo Sie sich entscheiden müssen. Sie lassen
den Überlagerungszustand kollabieren und legen eine Route eindeutig fest. Das ist Quantenphysik im
Alltag !
IZ:
Sie sagten , dass der Kollege
Harosche
auf eine andere Art an die Grenze der Quantenwelt gestoßen ist.
Autor
:
Der Franzose Haroche hat
Mikrowellen-Photonen zwischen Spiegeln aus supraleitenden Niob eingeschlossen
und bei tiefen Temperaturen eingefroren. Zwischen die Spiegel schoss er angeregte Rydbergatome
durch. Die Rubidiumatome blähten sich durch die Anregung dabei um den
1000-fachen Durchmesser auf. Das
hat zur Folge, dass die äußeren
Quantenzustände nur geringe Energieabstände haben , und
die Elektronen somit nur eine geringe Anregungsenergie benötigen, um ihren
Quantenzustand zu verändern. Aufregend war, dass das wechselwirkende Photon nicht sofort zerstört wurde, sondern 0.3 sec lang in der Resonanzkammer zwischen den
Spiegeln hin und her raste und dabei immerhin noch 40 000 km zurücklegte, bis es
von einem Spiegel absorbiert wurde.
Wenn das Rubidiumatom
mit einem Photon zusammen stieß , vibrierte es
und veränderte seine Phase . Eine
Wechselwirkung mit dem Photon konnte durch die Phasenänderung nachgewiesen
werden.
IZ:
Was macht
denn die beiden Forschungsergebnisse so einzigartig ?
Autor:
Es ist einmal
die experimentelle Kunst, einzelne
Quantensysteme zu isolieren und den Messvorgang durchzuführen, ohne das
Quantensystem sofort zu zerstören.
Das war bisher unvorstellbar.
Quantenteilchen, wie Photonen, Elektronen, Ionen haben
sowohl Teilchen- als auch
Wellencharakter.
Wellencharakter können nach allgemeiner Meinung nicht einzelne Teilchen
haben,
sondern immer ein Ensemble . Ein Ensemble gehorcht statistischen
Gesetzen. In
seinem Buch „ Welle und Teilchen „
widmet
de Broglie ein Kapitel der Thermodynamik des isolierten
Teilchens. Im Prinzip hat er damit
die Forschungsergebnisse vorweggenommen.
IZ:
Die
experimentelle Kunst ist durch den Physik-Nobelpreis 2012 gewürdigt worden. Aber welche Theorie steht dahinter ?
Das Messprozess-Problem ist doch seit
nahezu 100 Jahren bekannt.
Wie erklären Sie das Kollabieren der sich überlagernden Quantenzustände ?
Erst wenn wir die zugrunde liegende Theorie besser verstehen, können wir
die Überlagerung
der Quantenzustände weiter stabilisieren
.
Autor:
Die
Experimente erforschen die Schnittstelle
zwischen Materie und Licht,
zwischen Fermionen und Bosonen, zwischen Unterscheidbarkeit und Nichtunterscheidbarkeit. Wie entsteht aus einer Welle ein Teilchen , und wie entsteht aus
einem Teilchen eine
Welle, das ist nachwievor ein
Rätsel. Woher wissen die einzelnen
Elektronen im Doppelspaltversuch , dass sie sich in Form eines
Wellenmusters auf dem Schirm anordnen sollen.
Offenbar gibt es ein thermodynamisches Feld jenseits von Raum und
Zeit. Und jetzt sind
wir wieder bei der Thermodynamik
des isolierten Teilchens. Die experimentelle Kunst der
beiden Laureaten besteht doch gerade darin, einzelnen Ionen und
Photonen ihre
thermische Energie zu entziehen, sie einzufrieren und voneinander zu
isolieren und ihre Wechselwirkung
zu messen. Beide Forscher arbeiten bei Temperaturen im Bereich der
Supraleitfähigkeit. Die
niedrigen Temperaturen frieren nicht nur die Zitterbewegung der Ionen und
Photonen ein, sondern sie
verringern auch die thermodynamische Energie der Teilchen. Wir müssen den Ionen und
Photonen Wirkung und Entropie zuschreiben
.
IZ:
In den
früheren Interviews, die wir geführt haben, bringen Sie die Entropie der
Teilchen mit der Masse der Teilchen
in Verbindung. Der Ursprung der
Masse ist thermodynamische Energie,
und das Higgsfeld ist das alles durchdringende Temperaturfeld .
Ich denke dabei gerade an Ihre Higgsformel v →
t
→
H
→ Z
mit dem Zerfallskanal
v → Top-Quark →
Higgsboson → Z-Boson .
und den
Zerfallszeiten von jeweils 10^-25
sec.
Ihre Massen m lassen sich
nach der Higgsformel berechnen : m = v
e^-n/3 mit n= 0,1,2,3 mit
v= 246 GeV
Das Skalarboson
als Schnittstelle zwischen
Fermion und Vektorboson, zwischen Teilchen und Photon , zwischen Materie
und Licht ist ein charmanter
Gedanke .
Eine Sache verstehe ich noch nicht . Wenn das Photon masselos ist , dann kann
es doch keine Entropie haben.
Autor:
Das
ist eine richtige Schlussfolgerung, und die hat den großen Physiker Richard
Feynman auch bis
an sein Lebensende beschäftigt. Die Lichtausbreitung wird durch die
Maxwellschen Gleichungen beschrieben.
Sie sind
reversibel. Sie sind zeitsymmetrisch. Photonen bestehen aus reiner
Wirkung nach der berühmten
Einsteinschen Formel E= h f . Warum kommen die Lichtstrahlen nicht zur
Quelle zurück, wenn für
sie
die Zeitumkehr gilt ? , fragte sich Feynman . Photonen breiten sich entlang eines
Temperaturgradienten aus.
Die Quelle
hat eine höhere Temperatur als die Senke. Denken Sie an die Sonne und an die
Glühlampe.
IZ:
Kommen
wir wieder zurück zu den Forschungsergebnissen der beiden Laureaten für den
Physik-Nobelpreis 2012 .
Warum erregen die experimentellen
Forschungsergebnisse ein solches
Aufsehen, dass sie vom
Nobelpreiskomitee
gewürdigt
worden sind ?
Autor:
Sie versprechen
Anwendungen für die nahe Zukunft ,
schnelle Uhren im optischen Bereich und Quantencomputer. Die Zeitmessung kann
gegenüber den jetzigen Cäsium-Uhren im Mikrowellenbereich nochmals um das
Hundertfache präzisiert werden.
Damit wird das GPS
nochmals um den Faktor 100
genauer. Bei den die Erde
umkreisenden GPS- Satelliten handelt es sich um bewegte Uhren im Sinne der
Speziellen Relativitätstheorie und der Allgemeinen Relativitätstheorie.
Ohne das Einbeziehen der beiden
Theorien von Einstein würde das GPS nicht funktionieren
. Die täglichen Abweichungen
wären zu groß. Mit dem GPS
haben wir für die Didaktik erstmals ein realistisches Beispiel aus der
Praxis, um die Voraussagen der
beiden Theorie zu berechnen. Wir brauchen uns nicht mehr der
Gedankenexperimente mit fahrenden Zügen und fahrenden Aufzügen aus der Zeit
Einsteins zu bedienen.
IZ:
Das Beispiel von GPS für bewegte
Uhren, die höchste Präzision
erfordern, leuchtet mir ein . Welches
Potential haben die
Quantencomputer ?
Autor:
Forscher konnten bisher 14 Ionen in einer Kühlfalle so mit einem Laser
beeinflussen, dass sie über einen
längeren Zeitraum
miteinander kommunizieren konnten. Das ist Weltrekord. Quanten-Computer auf dieser Basis
können die jetzigen Computer
über ein Vielfaches
in der Rechengeschwindigkeit übertreffen. Sie können dann große Zahlen in ihre
Primzahlen zerlegen. Einen Algorithmus hierfür gibt es schon . Das ist natürlich interessant für Militärs und für
Banken. Der Wettlauf zwischen
Verschlüsseln und Entschlüsseln kann beginnen.
IZ:
Ich verstehe ! N och eine Frage zum Verschlüsseln
von Nachrichten ! Gibt es Zahlen, die man überhaupt nicht
in
Primfaktoren zerlegen kann ?
Autor:
Es gibt 2 Zahlen, und das sind die transzendenten Zahlen π und e
. π wurde
von den Griechen entdeckt.
π
gibt das Verhältnis von Durchmesser und Umfang eines Kreises wieder
und π definiert auch die Raumzeitkrümmung . Die Eulersche Zahl
e ist eine wichtige
dimensionslose Naturkonstante. So wird das Massenspektrum der
Elementarteilchen durch e definiert
. Die Massen der Quarks und
Leptonen lassen sich von der Naturkonstanten e
ableiten . Hätte e einen geringfügig
anderen Wert, gäbe es unsere Welt
nicht ! Im
Unterschied zu π wird e durch einen einfachen Algorithmus von ganzen Zahlen und Kettenbrüchen berechnet. Diese fundamentale
Bedeutung der transzendenten Zahl e
für das
Massenspektrum der Elementarteilchen ist meine größte
Entdeckung.
IZ:
Das Massenspektrum der Quarks und
Leptonen ist der Code der Natur, der mit rationalen Zahlen und
irrationalen
Zahlen nicht zu knacken und nicht zu entschlüsseln ist ! Die
transzendente Zahl e kann kein Quantencomputer der
Welt in Primzahlen zerlegen. Wir sind über die Quantencomputer der Zukunft auf das größte Rätsel der Physik , dem
Massenspektrum der Elementarteilchen und dem
Ursprung der Masse gekommen. Es gibt offenbar zwei
grundverschiedene
Forschungsansätze,
die Welt des ganz Kleinen an der Schnittstelle zwischen Materie und Licht
zu verstehen. Ich
glaube, es
macht Sinn, wenn wir bei unserem 2.
Interview in Göttingen die Unterschiede herausarbeiten.
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