Willkommen in der Planckwelt
                 6. Interview in München

            Die Biologische Solarzelle

 

IZ:

Die Photovoltaik ist weltweit ein Erfolgsmodell für die Erzeugung von erneuerbarer Energie.  Die fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas sind endlich. Sonnenlicht steht hingegen unbeschränkt zur Verfügung.  Durch den Photoeffekt wird Sonnenlicht umgewandelt in elektrische Energie mit einem Wirkungsgrad von  20 %. Im Labor wurden schon Spitzenwerte von 26 % erreicht.  Die Natur hat in 2 bis 3 Milliarden Jahren Evolution den vergleichbaren Prozess entwickelt mit einer Ausbeute von 100 %. Jedes auftreffende Photon des Sonnenlichts wird in chemische Energie umgewandelt und gespeichert. Was  können wir von der Natur lernen ? 

Autor:
95 % der Solarzellen bestehen aus hochreinen dotierten Silizium. Das 4-wertige Silizium wird mit 3-wertigen und 5-wertigen Elementen so dotiert, das p-Silizium und n-Silizium entsteht.  Das so dotierte Silizium hat  zu den Frequenzen des auftreffenden Sonnenlichts Photons die passende Bandlücke mit dem passenden Potentialunterschied. Das Photon erzeugt ein Exziton, das aus einem angeregten Elektron und einem Positron besteht. Das Exziton zerfällt, und die beiden getrennten Ladungen werden dem +Pol und dem –Pol  und dann dem Wechselrichter zugeführt  und ins Netz eingespeist. 

IZ:
Was unterscheidet die Solarzelle aus Silizium von der Pflanzenzelle, der Solarzelle der Natur ?

Autor: 
Die Basis der Pflanzenzelle ist die Kohlenstoffchemie.  Der Kohlenstoff hat die gleiche äußere Elektronenstruktur wie Silizium und bildet mit Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff Moleküle. Kohlenstoffverbindungen entwickeln ihre besondere Wirkung erst im Wasser.  Das Kohlenstoffatom ist asymmetrisch. Werden die 3 Wasserstoffatome des Methans ersetzt durch die saure Carbonylgruppe COOH, die Aminogruppe NH2 und die basische OH-Gruppe, erhalten wir das asymmetrische Kohlenstoffatom und die einfachste Aminosäure. Die Doppelbindungen sind für die elektrische Leitfähigkeit im Molekül verantwortlich.                                      

IZ:
Aminosäuren sind die Bausteine der Proteine und Enzyme, und sie drehen polarisiertes Licht nach links.  Zucker hingegen drehen polarisiertes Licht nach rechts. Asymmetrische Kohlenstoffatome gehorchen der chiralen Symmetrie.  Was hat das mit der Photovoltaik zu tun ?            

Autor:
Richard Feynman brachte die organische Photovoltaik auf eine einfache Formel : „ Das Sonnenlicht schlägt aus dem Kohlendioxid den Sauerstoff heraus und oxidiert das Wasser.“  Die Photosynthese ist der einzige Ort, an dem Wasser „verbrannt“  wird. Die Effizienz der Lichtausbeute mit dem Wirkungsgrad von nahe 100 % wird heute mit der Quantenbiologie auf neue und interessante  Art erklärt.  Die durch das Antennenmolekül Chlorophyll absorbierten Photonen erzeugen Exzitonen. Das Exziton ist ein schwingendes Quasimaterieteilchen und besteht aus einem angeregten Elektron- Positron – Paar. Bevor sich das Exziton in Wärmeenergie umwandeln kann, wird das Exziton durch das Chlorophyllmolekül  in das Reaktionszentrum  mit hoher Energieeffizienz weitergeleitet. Das Chlorophyllmolekül besteht aus langgestreckten ineinander verschachtelten Nanoröhrchen.  Im Reaktionszentrum im Inneren der Nanoröhrchen findet die Ladungstrennung statt. 2 Wassermoleküle werden oxidiert. Es entstehen ein Sauerstoffmolekül, 4 Protonen mit positiver Ladung und 4 Elektronen mit elektrischer Ladung.  Die energiereichen Elektronen werden vom  Energieträgermolekül NADPH aufgenommen.           

IZ:
Wie kann das Exziton ohne Umwege und ohne Energieverlust durch die Nanoröhrchen des Chlorophylls zum Reaktionszentrum in seinem Inneren geschleust werden, wo dann die Ladungstrennung stattfindet ?  Können Sie uns das zu Grunde liegende Prinzip erklären ?  

Autor:
Exzitonen verhalten sich sowohl wie Teilchen als auch wie Wellen. Dieser Welle-Teilchen Dualismus ist ein wichtiges Prinzip der Quantenmechanik.  Das Exziton wird durch eine Wahrscheinlichkeitswelle beschrieben.  Die Wellen interferieren, so dass das Exziton  an unterschiedlichen Orten  zugleich sein kann. Dieser Zustand der Unbestimmtheit wird Kohärenz genannt.  Wird das Exziton durch den Messprozess beobachtet, kollabiert die Wahrscheinlichkeitswelle und das Exziton wird zum lokalisierten Teilchen. Das Kollabieren der Wahrscheinlichkeitswelle wird Dekohärenz genannt und geschieht innerhalb einer Billionstel Sekunde. Betrachten wir ein Beispiel aus dem alltäglichen Leben.  Bei einer Wahl  haben wir kurz vor dem Wahlschluss eine Wahrscheinlichkeitserwartung über die Verteilung der Stimmen.  Diese Wahrscheinlichkeitserwartung kollabiert, wenn die Stimmen ausgezählt werden.


IZ:
Bei den Physikern, die an der Entwicklung des Quantencomputers arbeiten,  ist in den letzten Jahren die Dekohärenz ein wichtiges Thema geworden. Die Forscher zögern die Kohärenz hinaus, die nur wenige Pikosekunden andauert, indem sie bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt im Vakuum arbeiten.  Die Stoßprozesse, die wir als weißes Rauschen bezeichnen, und die zur Dekohärenz führen, werden damit auf das geringst mögliche Maß reduziert. Die Pflanzen sind in der Evolution einen anderen Weg gegangen, um die Kohärenz zu nutzen und zur biologischen Wirksamkeit zu bringen.     

Autor:
Anfangs wurde die Idee belächelt, dass ein Grashalm wie ein Quantencomputer arbeitet. Erst als bei Photovoltaiksystemen, die aus Algen und Cyanobakterien isoliert wurden, mit der neu entwickelten Femto- Elektronenspektroskopie bei Raumtemperatur Quantenschwebungen nachgewiesen wurden, wird diese Forschungsrichtung ernst genommen. Die Pflanzenzelle nutzt das weiße thermodynamische Rauschen und zugleich das farbige Rauschen, um das Exziton durch die Chlorophyllöhrchen ins Reaktionszentrum zur Ladungstrennung zu lotsen. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass Chlorophyllmoleküle von zwei unterschiedlichen Stützgerüsten umgeben sein können, die sich in den Frequenzen geringfügig unterscheiden und Quantenschwebungen erzeugen.  Das farbige Rauschen entsteht durch Schwingungen der Chlorophyllmoleküle, die das Exziton immer wieder in den kohärenten Zustand zurückbringen.  Der 2.5 nm kurze Weg  des Exzitons durch die Chlorophyllröhrchen innerhalb von 500 Femtosekunden ist der schnellste Transferprozess, der jemals gemessen wurde, und wird durch die Prinzipien der Quantenmechanik bestimmt.  Das Exziton verhält sich als Welle und kann an verschiedenen Orten zugleich sein und verschiedene Energiepfade einnehmen. Bei der Dekohärenz wird dann im Reaktionszentrum der günstigste Energiepfad nach dem Prinzip der kleinsten Wirkung ausgewählt. Stellen wir uns eine Wasserlache vor, die den Berg hinunterfließt. Das Wasser sucht sich verschiedene Rinnsale.  Die energetisch günstigen Rinnsale sammeln immer wieder das Wasser und bestimmen den weiteren Weg.               

IZ:
Was sehen Sie als den wesentlichen Unterschied zwischen der Silizium -Solarzelle und der biologischen Solarzelle. ? Was können wir von der Natur lernen ? Wo steckt das Potential, den Wirkungsgrad der Photovoltaik zu erhöhen ?  Können Sie den Gedankengang nochmals zusammenfassen. 

Autor:
Die Evolution hat einen Weg gefunden, das Wechselspiel zwischen Kohärenz und Dekohärenz zu nutzen. Herzstück des langgestreckten röhrenförmigen Chlorophyllmoleküls ist das Magnesiumatom mit dem umgebenden Kohlenstoffkäfig. Das Sonnenlichtphoton schlägt ein Elektron aus der äußeren Schale des Magnesiumatoms in den Kohlenstoffkäfig.  So entsteht das Exziton als winzige instabile Batterie mit getrennter positiver und negativer Ladung. Das Exziton verhält sich wie eine kohärente Welle. Die Moleküle des Chlorophyllwaldes erzeugen in abgestimmten Frequenzbereichen Quantenschwebungen, die mit dem schwingenden Exziton wechselwirken. So wird verhindert, dass die überlagerten Wahrscheinlichkeitsamplituden kollabieren. Das Exziton wird ohne Energieverlust zum Reaktionszentrum mit einem Wirkungsgrad von 100 % dirigiert.  Dort reicht die Energie des Exzitons aus,  Wasser in Sauerstoff, Protonen und Elektronen zu spalten , die dann in der biologischen Pflanzenzelle die elektrische Energie in chemische Energie umsetzen. Die chemische Umsetzung hat einen Wirkungsgrad von 40 %. 

IZ:
Bakterien, Algen und höher entwickelte Pflanzen können nicht durch Zufall entstanden sein. Das Cyanobakterium ist so komplex, dass für eine zufällige richtige Anordnung der Atome in der Zelle über Generationen hinweg das Alter des Universums hinweg nicht ausreichen würde. Wir denken beim Zufall immer an das Würfeln einer Münze.  Das Cyanobakterium ist als einfachste Solarzelle ein Wunder der Natur.  Sie ist durch die Evolution entstanden. Das Thema ist interessant.   

Autor:
Die Evolution ist ein Lernprozess, der Schritt für Schritt und Generation für Generation, die Wahrscheinlichkeit reduziert. Beim Ursprung der ersten biologischen Solarzelle gab es das Henne-Ei-Problem. Was war zuerst, die linksdrehende Aminosäure oder der  rechtsdrehende Zucker ?  Die chirale Symmetrie spricht dafür, dass Aminosäuren und Zucker  sich in der Evolution nebeneinander in der photoaktiven Zelle zu Proteinen und Enzymen und zur codierenden DNA entwickelt haben. Weit verbreitet ist die Meinung, dass ein Ribozym als selbstreplizierendes Enzym der Ursprung der biologischen Zelle ist.   

IZ:
Doch wie soll spontan ein Ribozymmolekül entstehen , das sich selbst verdoppelt ?   Die Kombinationsmöglichkeiten der sich immer wieder anzuordnenden Atome übersteigen unser Vorstellungsvermögen.  3 Milliarden Jahre Evolution auf der Erde reichen dafür bei weitem nicht aus.   

Autor:
Das Wechselspiel zwischen Kohärenz und Dekohärenz bietet eine Erklärung an. Biomoleküle mit asymmetrischen Kohlenstoffatomen schaffen in Wasser die Beweglichkeit und Reaktionsfähigkeit, die für lernfähige Systeme Voraussetzung sind. Im Reaktionszentrum wird Wasser durch das Exziton gespalten in Sauerstoff, Protonen und Elektronen. Die Protonen bilden Wasserstoffbrücken zwischen den Molekülen. Die beweglichen Elektronen in den Doppelbindungen der Kohlenstoffverbindungen sorgen für den elektrischen Ladungsausgleich und die benötigte Energie für chemische Reaktionen. Auf der Ebene der Quantenmechanik verhalten sich Protonen und Elektronen wie Wellen und sind an verschiedenen Orten zugleich. Sie verhalten sich für eine Billionstel Sekunde kohärent. Durch den Meßprozess, der auch durch das Stoßen der benachbarten Atome ausgelöst wird, kollabieren die überlagerten Wahrscheinlichkeitsamplituden in den optimalen Energiepfad. Der Zustand der Dekohärenz wird erreicht. Der optimale Energiepfad mit der höchsten Energieeffizienz wird durch das Prinzip der minimalen Wirkung bestimmt. Die Position der Wasserstoffbrücke und die Position des Elektrons in der Doppelbindung werden dann festgelegt. Die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten und damit die Wahrscheinlichkeit werden reduziert. Das Molekül wird durch Schwingungen immer wieder angeregt und in den kohärenten Zustand versetzt.  Die Karten werden neu gemischt, bis durch passende  Wasserstoffbrücken eine neue stabile Struktur entsteht, die biologisch wirksam wird. Die Beweglichkeit der Strukturen sind die Voraussetzung für neue Verknüpfungen und für die Lernfähigkeit. Proteine mit ihren Aminosäureketten, die sich immer wieder neu verknüpfen und falten,  zeigen die Beweglichkeit im Medium Wasser. Beginnen wir bei der Evolution der ersten biologischen Solarzelle mit einfachen Aminosäuren und Zuckern und nicht unbedingt mit dem Ribozym.     

IZ:
Kohärenz und Dekohärenz im Wechsel überwinden den Zufall und reduzieren die Kombinationsmöglichkeiten der Atome in den Molekülen. Auswahlkriterium ist das Prinzip der minimalen Wirkung. Der Energiepfad wird einzuschlagen, der den geringsten Aufwand erfordert. Wie kann aus Unordnung Ordnung entstehen , wenn nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik in einem System die Unordnung immer größer wird.  Die Entropie S als Maß der Unordnung und der Wahrscheinlichkeit steigt an. Es droht, wie vor 150 Jahren verkündet, der Wärmetod des Universums.  Gilt eigentlich der 2. Hauptsatz auch bei der biologischen Solarzelle ?              

Autor:
Der  2. Hauptsatz der Thermodynamik gehört zu den Grundprinzipien der Physik.  Wird einem System Energie zugeführt, entstehen Inseln der Ordnung. Das ist zu vergleichen mit einer Stadt mit seiner inneren Ordnung,  der Waren von außen zugeführt wird, und die sich mit Müllbergen umgibt. Am Anfang war wohl ein  Wassertropfen mit organischen Kohlenstoffverbindungen, der der Energie des Sonnenlichts ausgesetzt war.  Aminosäuren mit linksdrehenden Kohlenstoffatomen verketteten sich über Wasserstoffbrücken zu Proteinen und Enzymen und schafften Schritt für Schritt zusätzliche Ordnung.  Es entstand eine räumliche Struktur der Proteine, die durch die Reihenfolge der Aminosäuren bestimmt war. Und jetzt kommen die rechtsdrehenden Zuckermoleküle ins Spiel.  Sie liefern das spiralförmige Stützgerüst , das zusammen mit den 4 Basen die Erbinformation tragen wird,  die die Reihenfolge der Aminosäuren festlegt.  So könnte es angefangen haben auf dem Weg zur ersten biologischen Solarzelle.    

IZ:
Mit dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik , der für offene Systeme Selbstorganisation zulässt, haben wir die Triebkraft für die Evolution der biologischen Solarzelle.  Gibt es auch ein Grundprinzip für die Replikation  ?  Gesucht wird der einfachste Replikator, der sich verdoppelt  ?   Ribozyme sind offensichtlich nicht dazu in der Lage. 

Autor:
Das zweite Prinzip ist das Prinzip der minimalen Wirkung, das wir auch das Prinzip der Energieeffizienz nennen können. Bei einer Knappheit der Ressourcen ist die Energieeffizienz eine entscheidende Größe für die Evolution. Die biologischen Solarzellen mit der größten Fitness überleben. Bei diesem Ausleseprozess gleicht sich ihr Gen-Pool immer mehr an.  Damit kommen wir Schritt für Schritt zum einfachsten Replikator. 

IZ:
Kommen wir zurück auf die anfängliche Frage.  Was macht die biologische Solarzelle aus ?  Was können wir von der Natur lernen ?                  

Autor:
Bei der biologischen Solarzelle sind die positiv geladenen Protonen die beweglichen Ladungsträger  in den Wasserstoffbrücken. Die Elektronen in den Doppelbindungen sind die beweglichen negativen Ladungsträger.  Die Bandlücke zwischen den positiven und negativen Ladungsträgern innerhalb der biologischen Moleküle ist 2.5 nm .  Die Bandbreite bei den Si-Solarzellen innerhalb der unterschiedlich dotierten Si-Kristalle ist 500 µm. Das ist der Unterschied. Damit spielen bei der biologischen Solarzelle quantenmechanische Effekte, wie Kohärenz und Tunneleffekt,  und die Nanotechnologie eine wichtige Rolle. Die Kohärenzdauer von wenigen Pikosekunden reicht aus,  um mit einem Wirkungsgrad von 100 % das Exziton  ohne Wärmeverluste in das Reaktionszentrum zu befördern. Jedes auftreffende Photon erzeugt ein Exziton. Photon und  Exziton sind stark aneinander gekoppelt.  Dieser Zustand zwischen Licht und Materie wird Polariton genannt.  Polaritonen haben unterschiedliche Energieniveaus, zwischen denen das System schwingen kann.  Polaritonen werden zur Zeit intensiv erforscht.  Die Forscher hoffen,  mit Polaritonen erste Laser auf organischer Basis herzustellen. Ein Zwischending zwischen Licht und Materie mit hoher Energieeffizienz wurde entdeckt.  Das Chlorophyllmolekül ist das erste System, mit dem eines der größten Rätsel der Quantenmechanik experimentell gelöst werden konnte. Es ist der Meßprozess, der die überlagerten Wahrscheinlichkeitswellen kollabieren lässt. Das Molekül wird von außen mit einem Femtosekundenlaser innerhalb von 10^-15s belichtet.  Ein zweiter Laser detektiert in den Nanoröhrchen Quantenschwebungen. An unterschiedlichen Stellen in den Nanoröhrchen können gleichzeitig Energieanregungen detektiert werden.  Die Quantenschwebungen gehen in den  Energiepfad mit der höchsten Energieeffizienz über.  Diese Energie wird dann gemessen.  Der Meßvorgang ist ein irreversibler thermodynamischer Prozess und erzeugt Information.         
                       
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