Willkommen in der Planckwelt
Das 2. Interview
IZ : In unserem 1. Interview zeigten
Sie uns das Bild einer Stadt mit
den 3 Stadtteilen
Masse, Energie und Information . Der Stadtteil Masse ist mit dem Stadtteil
Energie
durch 2 Brücken verbunden . An diesen beiden Brücken wurde das ganze 20.
Jahrhundert gebaut.
Als junger
Student hatten Sie die Vision , zwischen diesen beiden Stadtteilen und
dem Stadtteil
Information eine Brücke zu bauen .
Und Sie wollten heute auf
den 1. Brückenpfeiler näher eingehen ?
Autor: Ja, es war eine
langwierige und schwierige Aufgabe, den ersten Brückenpfeiler auf der Seite
des Stadtteils Information zu bauen. Der Begriff
Information ist in der Physik wenig
gebräuchlich..
In unserer Alltagswelt ist Information ein ständiger Begleiter. Wir werden überschwemmt
von
Information. Denken wir nur an die vielen Zeitungen,
die vielen Fernsehprogramme. Wir
bezahlen
für Information, wenn wir unsere DSL-Gebühren
überweisen. Wir suchen Information,
wenn
wir auf Schnäppchen aus sind. Ab er in der Physik gibt es nur Masse,
Energie, Raum und Zeit,
selbst in neu erschienen Büchern. Es gibt allenfalls den Beobachter.
IZ: Welchem Sachgebiet ist denn die Information in der Physik
zuzuordnen ?
Autor: Information ist ein thermodynamischer Begriff. Die Thermodynamik ist die Lehre von der
Wärme.
Information ist gewissermaßen lokal eingefrorene
Wärme. Information ist eine eigenständige Kategorie
neben der Materie und neben der Energie.
Im wissenschaftlichen Sinne ist Information negative Entropie , oder abgekürzt
NegEntropie.
IZ: Entropie werden die Wenigsten kennen , geschweige denn
verstehen . Können Sie Entropie
uns anschaulich erklären ?
Autor: Denken Sie an einen Bierwärmer mit heißem Wasser, der in das
kalte volle Bierglas gehängt wird.
Die Wärme fließt von der höheren Temperatur
des Wassers zur kalten Temperatur des Bieres, bis
Ein Temperaturgleichgewicht erreicht ist. Es
ist Entropie entstanden, die gemessen werden kann. .
Wärme fließt in einem abgeschlossenen System
immer nur in eine Richtung, von warm nach kalt
und nie umgekehrt, d.h. die Entropie nimmt immer zu.
Boltzmann hat dann mit seiner berühmten
Gleichung S= k lnW eine
tiefgründigere Erklärung gegeben.
Ein System strebt immer dem
wahrscheinlichsten Zustand zu, und das ist die maximal mögliche Unordnung,
d.h. die maximal mögliche Entropie . Mit der uns angenehmen Mischungstemperatur
erreicht unser
System Wasser / Bier den wahrscheinlichsten
Zustand.
IZ: Und was hat das alles mit Information zu tun ?
Autor: Information ist das Gegenteil von Entropie, eben NegEntropie. Information charakterisiert einen
Unwahrscheinlichen
Zustand.
Wir
haben bereits gehört, dass Entropie immer ansteigt. Das ist eines der wichtigsten Prinzipien der Physik,
Das Prinzip wird der 2. Hauptsatz der Thermodynamik
genannt. Aber Entropie verzweigt sich
ständig in
einen
positiven und negativen Ast. Es
entstehen Inseln der Ordnung. Unter dem
Strich bleibt dabei die
Entropie
positiv.
In unserer kleinen Stadt herrscht zwar Ordnung,
aber um die Stadt herum wachsen die Müllberge und
sammelt sich das Abwasser.
IZ: So, jetzt haben wir ja das physikalische Fundament für den 1.
Brückenpfeiler am Stadtteil Information
geschaffen. Wie sieht denn der Brückenpfeiler
gegenüber aus ?
Autor: Nennen wir diesen Brückenpfeiler „ Wirkung“ . Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat sich die
Wirkung zu einem
zentralen
Begriff der Physik entwickelt . Max
Planck hat am Anfang des 20. Jahrhunderts bei der rechnerischen Ableitung seiner Strahlungsformel das
Entropie-Prinzip ( S=k lnW ) von
Boltzmann zur Hilfe genommen und konnte
damit erstmals die beobachtete Daten
mit den erhaltenen Formelwerten über den gesamten Spektralbereich , vor allem
bei hohen Frequenzen, zur Deckung bringen. Er führte rein rechnerisch Energiequanten ein, die mit
steigender Frequenz immer größer
werden nach der berühmten Formel E= h
v :
Die Energie ist proportional der Frequenz . Die Proportionalitätskonstante
ist die Größe h, die dann
später Wirkungsquantum genannt wurde.
Sie ist der kleinste Betrag der Wirkung .
IZ: Das heißt doch , dass
die auf das Wirkungsquantum aufbauende
Quantentheorie letztendlich von der
Thermodynamik
abgeleitet wurde.
Autor: Genau !
Das ist ein subtiler Hinweis darauf, dass das Gebäude der Quantentheorie
auf dem Fundament Thermodynamik ruht.
Man kann sogar einen Schritt weiter gehen. Und dieser Schritt ist neu !
Wenn ich zusätzlich im Fundament
der Thermodynamik die Entropie
quantisiere, dann beseitige ich
die Beliebigkeit der Massen im Standardmodell der Elementarteilchen und ich
erhalte das Massenspektrum der Elementarteilchen ,
für das
die Physik keine Erklärung hat.
IZ: Das mit
den Energiequanten, die mit steigender
Frequenz immer größer werden , ist nur schwer vorstellbar.
Können
Sie das vielleicht an einem Alltagsbeispiel plausibel machen ?
Autor: Stellen Sie
sich vor , Sie wollen sich bei der Bank
das Geld für Ihre Energierechnung von 1000 Euro auszahlen lassen . Sie können sich das Geld in Cents auszahlen
lassen. Dann bekommen Sie einen Sack
mit 100000 gleichen Cent -Stücken. Sie
können sich aber auch das Geld in
verschiedenen Zahlungsmitteln 2 Cent, 5
Cent, 10 Cent, 20 Cent, 50 Cent, 1 Euro, 2 Euro, 5 Euro , 10 Euro, 20 Euro
, 50 Euro, 100 Euro herausgeben lassen .
Auf das
Modell des Schwarzen Strahlers übertragen, muss für die Oszillatoren bei
höheren Frequenzen immer mehr
Energie
aufgebracht werden.
IZ: Sie
sagten anfangs, im Laufe des 20. Jahrhunderts hat sich die Wirkung zum
zentralen Begriffe der Physik entwickelt.
Was
waren die nächsten Meilensteine nach der Entdeckung des Wirkungsquantums von Planck ?
Autor : Einstein hatte 1905 die Quantenhypothese von
Planck übernommen, um den Photoeffekt auf einfache Art und Weise zu erklären. Er postulierte, dass Licht auch als Teilchen
in Erscheinung treten und mit den damals schon bekannten Elektronen, den
kleinsten Teilchen der Materie,
wechselwirken kann. Das war
damals eine provokante Hypothese und es
dauerte über 15 Jahre bis sich das Photonenmodell des Lichts durchsetzen
konnte.
IZ: Licht
kann man als Teilchen und zugleich als Welle auffassen ?
Autor: Das wurde
damals als nicht begreifbarer Widerspruch empfunden. De Broglie löste den Welle-Teilchen-Dualismus mit seiner berühmten Formel Wellenlänge = h / Impuls, die für mich neben E=mc² zu den schönsten und aussagekräftigsten
Formeln der Physik gehört . Schrödinger
wurde durch die Formel zu seiner Gleichung inspiriert, die erstmals auf elegante Weise, das
Elektronspektrum des Wasserstoffatoms erklären konnte : Der Grundzustand des Elektrons wird durch
die de Broglie-Wellenlänge des Elektrons definiert. Der Begriff der klassischen Elektronenbahn wird ersetzt durch die
Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons
Ein
weiterer Meilenstein ist die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation : Impuls und Energie können in Raum und Zeit
nicht beliebig genau bestimmt werden.
Die Grenze setzt das Wirkungsquantum.
Auch diese Erkenntnis stiftete damals große Verwirrung in den Reihen der
Physiker.
IZ: Ist dieser Revolution im Denken eigentlich inzwischen nach
Ihrer Meinung überwunden ?
Autor: Ich glaube wir haben uns damit inzwischen gefunden. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung hat auch im
alltäglichen Leben
einen
festen Stellenwert . Nach jeder Wahl
sind wir immer wieder überrascht von
der Treffsicherheit der Prognosen
um 18
Uhr wenn die Wahllokale soeben geschlossen haben , von der letzten
Bundestagswahl einmal abgesehen.
Jedem
Wähler haftet eine gewisse Wahrscheinlichkeit an, eine bestimmte Partei zu
wählen. Was letztendlich zählt ist
das
statistische Ensemble.
IZ : Kommen wir zu den
Brückenpfeilern in der Mitte unseres Flusses !
Treffen wir uns zum 3. Interview in
Heidelberg ?
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1997-2005