Willkommen in der Planckwelt
Interview in Berlin
Nach dem Higgs
IZ:
Willkommen in Berlin ! Mit der Verleihung des Nobelpreises an Higgs und Englert hat sich der Higgsmechanismus
jetzt in der Wissenschaft als die Theorie etabliert, die erklärt, wie die Masse
in die Welt kommt. Das von Higgs hierzu postulierte Higgsboson wurde zweifelsfrei am LHC in Genf nachgewiesen.
Eine 50 Jahre lange Suche ist zu Ende. Doch wie geht es weiter
? 3000 Wissenschaftler und Mitarbeiter haben am CERN in Projektteams hervorragende
Arbeit geleistet. Welche Arbeit wartet jetzt auf sie ?
Autor:
Higgs und Englert sind für die mathematische Theorie
ausgezeichnet worden, die die Masse so in die Lagrange-Gleichung einführt, dass
die Eichsymmetrie der Gleichung erhalten bleibt. Das ist ihre wissenschaftliche
Leistung. Sie gaben den Weg für die Experimentatoren vor. Erst so wurde die
Motivation für den Bau des LHC geschaffen.
Nachdem das Standardmodell jetzt vollständig ist, brauchen wir eine
Theorie, die das Standardmodell erweitert. Wenn der LHC aufgerüstet ist von 7 TeV bis zur Schwerpunktenergie von 14 TeV,
wird Neuland beschritten. Erwartet werden in diesem Bereich erste
supersymmetrische Teilchen , so es die Supersymmetrie
in der Natur geben sollte .
IZ:
Wir sind in Berlin, weil hier eine
Forschungsgruppe auf andere Art das Standardmodell SM3 erweitern will. Die Arbeitsgruppe
ist überzeugt, dass es eine 4. Teilchenfamilie gibt, auch wenn das Higgsboson mit der nachgewiesenen Masse 126 GeV ein SM4 nicht zulässt . Wie
denken Sie darüber ?
Autor:
Die 4. Teilchengeneration ist erst realistisch geworden ,
als in der kosmischen Strahlung schwere Neutrinos mit einer Masse > 45 GeV nachgewiesen
wurden. Die in den Experimenten nachgewiesene CP-Verletzung reicht nicht aus,
um das Fehlen der Antimaterie zu erklären. Eine 4. Teilchenfamilie kann zur
Lösung dieses Problems einen Beitrag leisten. Kann das bottom´
(Strich)- Quark aufgrund bisheriger experimenteller Ergebnisse identifiziert werden ? Liegt es überhaupt im Energiebereich des LHC bis 14
TeV ?
IZ:
Das ist eine spannende Frage ! Vom leichtesten
supersymmetrischen Teilchen der Supersymmetrie kann das nicht behauptet werden.
Es gibt keinerlei Anzeichen über den zu erwartenden Massewert. Für das bottom´-Quark haben Sie in den vergangenen Interviews die Masse angegeben. Sie wäre identisch mit
der Masse des Top-Quarks. Können Sie nochmals den Weg aufzeigen, wie Sie auf diesen
Wert gekommen sind .
Autor:
Die Massen der Quarks und Leptonen lassen ein Muster
erkennen. Die Massen können von der Eulerschen Zahl e
abgeleitet werden. Extrapolieren wir die Massen des s-Quarks und des b-Quarks zum
b´-Quark, kommen wir ebenfalls zur Masse des Top-Quarks. Das hat Konsequenzen
für die elektrische Ladung.
m = e^ (( e²/6)
* n +1) für
n= 0 , 1 , 3 , 5 , 6 , 9 , 9
d , u , s , c
, b,
t , b´
berechnete Werte [MeV] : 2.7 , 9.3
, 109
, 1284, 4399,
177000 , 177000
Experimentelle Werte ( Wikipedia) [MeV] : 2.4, 4.8 ,
104 , 1270 , 4200 ,
172000 ,
Bei der Masse 177 GeV finden wir also sowohl ein
Quark mit der Ladung +2/3 e als auch ein Quark mit einer negativen Ladung.
-1/3 e . Die Bestimmung der elektrischen Ladung des top-Quarks ist ein
aktuelles Forschungsthema am Atlas- Detektor des LHC. Die Ladung kann nicht
direkt bestimmt werden. Sie wird von der Ladung des bottom-Quarks
abgeleitet und ist mit großen Unsicherheiten
behaftet. Es gibt eine Theorie, die bei 172 GeV mit
einem Quark mit einer negativen
exotischen Ladung -4/3 e verträglich ist.
IZ:
Bei den experimentellen Werten handelt es sich um aktuelle Zahlen. Man sollte
jedoch beachten, dass die Zahlen mit dem Fortschreiten der Experimente sich
immer wieder geringfügig änderten. So lagen die ersten Massenwerte beim
top-Quark bei Ihrem berechneten Wert 177000 MeV und
beim Bottom-Quark bei 4400 GeV.
Umso beachtlicher ist Ihre Formel. Mich erinnert Ihre Formel zur Berechnung des
Massenspektrums der Elementarteilchen an die Zeit vor über 100 Jahren, als
Balmer aus den damals rätselhaften Wellenzahlen der Fraunhofer-Linien des Wasserstoffspektrums durch Probieren eine
Formel mit den Quantenzahlen 1/n² herausarbeitete. Die Balmer-Formel war damals
ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Strukturaufklärung des
Wasserstoffatoms. Kann die strittige elektrische Ladung bei 172 GeV uns Hinweise zur Asymmetrie der Materie und zum Fehlen der
Antimaterie geben ?
Autor:
Es ist zu begrüßen, dass nach dem Higgs sich eine
Arbeitsgruppe in Aachen weiterhin mit der elektrischen Ladung bei 172 GeV
auseinandersetzt. Wenn durch die präzisen Messungen, die der Atlas-Detektor
ermöglicht, eine Ladung von -4/3 e verifiziert wird, dann weist das auf ein Leptonquark hin, und das wäre eine Sensation. Sie haben auf
die Struktur des Wasserstoffatoms hingewiesen. Sein Kern ist so stabil, dass
trotz immensen experimentellen Aufwands ein Protonzerfall bisher nicht
nachgewiesen werden konnte. Im Wasserstoffatom haben wir eine stabile Ladungstrennung
von elektrischer Ladung, schwacher Ladung und starker Farbladung und ein stabiles
Massenverhältnis von Elektron zum Proton von 1:1840 .
Das entspricht annähernd 1: e^e^2 .
Die Ladungen sind so präzise abgeschirmt, dass erst außerhalb des
Wasserstoffatoms die Gravitation zum Thema wird. Die Elementarteilchenphysik
hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Zerfall des ultraheißen Vakuums bei der Plancktemperatur
von 10^32 °K über die verschiedenen Zwischenstufen bis zum stabilen Wasserstoff
zu verfolgen. Die wichtigen Größen, die sich dabei verändern, sind Ladung, Spin
und Masse. Eine zusätzliche elektrische Ladung von -4/3 e zur Ladung des
Topquarks von +1/3 e bei 172 GeV könnte in der
Zerfallsreihe Ladung, Spin und Masse in einer Weise ändern, die zur
beobachteten Asymmetrie der Materie führt.
IZ:
Für die Leptonen und Quarks ist die Masse
offensichtlich eine weitere Ladung und ein weiterer Freiheitsgrad. Als das Omega-Teilchen
mit 3 identischen s-Quarks gefunden wurde, hatte man ein ähnliches Problem. Um
das Pauli ´sche Ausschlussprinzip zu retten, musste
man eine neue Ladung einführen, die Farbladung. Das hatte sich in der Zukunft
außerordentlich bewährt. Die 3 s-Quarks tragen unterschiedliche Farbladungen.
Sie sind jetzt unterscheidbar. Warum
soll jetzt ein Quark neben den anderen Ladungen 3 unterschiedlich schwere Ladungen
tragen ? Das ist gleichbedeutend mit der Frage , warum gibt es 3 Teilchenfamilien ? Warum soll es 4
Teilchenfamilien geben, wie eingangs erwähnt ?
Autor:
Die Arbeitsgruppe in Berlin forscht am SM4 –Thema weiter, obwohl nach
verbreiteter Auffassung gerade der Massenwert 126 GeV
des Higgsbosons ein SM4 ausschließt. Der Grund ist
die Feinabstimmung der Massen des top-Quarks, des Higgs-Bosons
und des Z-Bosons.
Das Higgs-Boson wechselwirkt als Skalarboson mit sich selbst, mit Fermionen und Bosonen. Eigentlich sollte
der Beitrag der Strahlungsenergie die Masse des Higgs-Bosons
hochschaukeln bis zur Planckmasse. Aber was zurrt die Masse des Higgs-Bosons bei 126 GeV fest ? Bis auf 30 Stellen hinter dem Komma ist die Masse des
Higgs-Bosons ausbalanciert zwischen den Massen des
top-Quarks und des Z-Bosons. Jede zusätzliche Masse
in Form eines neuen Quarks der 4. Familie würde dieses empfindliche
Gleichgewicht stören. Diese Feinabstimmung gehört neben dem Massenspektrum der
Elementarteilchen zu den großen Rätseln der Physik. Für viele Physiker soll die
Supersymmetrie darauf eine Antwort geben. Doch auch die Skalensymmetrie kann
darauf eine Antwort geben. Die Higgsformel zeigt uns,
wie die Massen des Vakuumerwartungswerts, des top-Quarks, des Higgs-Bosons und des Z-Bosons
durch die Skalensymmetrie eine Einheit bilden.
m= v e^(-n/3)
für n= 0 , 1 , 2 , 3
berechnet [ GeV]
246, 176.3 , 126.3 ,
90.5
Erstaunlich ist
dabei der berechnete Wert für das Higgs-Boson von
126.3 GeV
, der genau mit dem aktuellen Wert des Atlas-Detektors mit 126 +-0.3
übereinstimmt.
IZ:
Sie haben die Higgsformel in verschiedenen Interviews
bereits vorgestellt. In Zusammenhang mit
der Feinabstimmung und der
Massenhierarchie überzeugt sie mich.
SM4-Teilchen sind offenbar in Reichweite des LHC. Berlin
ist auch berühmt für die Entdeckung
einer Naturkonstante. Max Planck
entdeckte 1900 das Wirkungsquantum h . Die Naturkonstante h veränderte die Welt. Planck konnte damit das Spektrum der
Schwarzkörperstrahlung bei einer definierten
Temperatur präzise abbilden und berechnen. Der Boltzmannfaktor e^-hν / kT spielt dabei die
zentrale Rolle. Wie sieht eigentlich das
Spektrum der Schwarzkörperstrahlung bei
ultrahohen Temperaturen aus ?
Autor:
Ende des 19. Jahrhunderts war für die Industrie die Untersuchung des Spektrums
der Schwarzen Strahlers ein gefragtes Forschungsthema der Industrie. Damals erfolgte die Umstellung der
Gasbeleuchtung auf die elektrische Beleuchtung. Die Glühbirnen wurden auf
Stromverbrauch und Beleuchtungsstärke hin optimiert. Der Schwarze Strahler im Labor der damaligen
Forscher am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin Kirchhoff, Wien und Planck
bestand aus 2 Kammern aus Kupfer mit einer Heizdrahtumwicklung
. Die eine Kammer war als
Hohlraum auf der Vorderseite mit einer kleinen Bohrung versehen. Die
austretende Strahlung wurde mit einem Spektrometer gemessen. In der
anschließenden Kammer war ein Thermometer.
Diese Meßvorrichtung war thermisch begrenzt durch die
Schmelztemperatur von Kupfer bei 1050 °C.
Eine andere Strahlungsquelle war die Sonne mit der damals bekannten
Oberflächentemperatur von 6000 °C. Planck
passte die empirische Wien´sche Strahlungsformel den immer genaueren
experimentellen Daten an, indem er dem Boltzmannfaktor e^-hv/kT durch -1 ergänzte
. Sein Verdienst bestand
darin, dass er die Wien´schen
Konstanten analysierte und durch Produkte von Naturkonstanten ersetzte. Es gelang ihm nicht, die Hilfskonstante h
wieder zu eliminieren. Diese Einsicht
markierte letztendlich den Beginn der Quantentheorie. Die Naturkonstante h dominierte fortan das ganze 20.
Jahrhundert.
IZ:
Wir haben am 20. Jahrhundert einen Knotenpunkt , der durch die 3 Naturkonstanten h , k ,
c und e gegeben war. Die
Naturkonstante für die elektrische Ladung des Elektrons wurde 1898
entdeckt. Einstein entdeckte 1905 die Lichtgeschwindigkeit
c als Naturkonstante und er beschäftigte
sich mit k bei der thermischen Braun´schen Molekularbewegung. Damals entwickelten sich diese Stränge bis
zum heutigen Tag auseinander. Wie wäre
die Entwicklung verlaufen, wenn Planck
beim Boltzmannfaktor
bei kT auch am Quantenprinzip weiter gearbeitet hätte . Wie wäre die
wissenschaftliche Entwicklung verlaufen,
wenn Einstein bei seiner berühmten Formel E= mc² das Quantenprinzip postuliert hätte. Wäre dann die Entwicklung wesentlich
schneller verlaufen, oder war damals die
Zeit dafür noch nicht reif ?
Autor:
Der große Gelehrte Richard Feynman wurde einmal gefragt, welche Erkenntnis bei einem drohenden
Weltuntergang die lebende Generation an die nachfolgende Generation weitergeben
sollte . Er
sagte „das Prinzip der Quanten“, das durch die Naturkonstanten vorgegeben
ist. Die Physik meidet die 0, und sie meidet ~ unendlich. Für das Quantenprinzip bei
mc² und kT war damals die Zeit noch nicht reif, weil die notwendigen experimentellen .Daten
nicht vorlagen. Wir müssen
bedenken, dass erst 2013 das
Massenspektrum des Standardmodells komplett war. Die Beschleuniger schießen
elektrisch geladene Minigeschosse aufeinander und erzeugen damit auf kleinsten
Raum eine Temperatur, von der Max Planck
nur träumen konnte. Noch sind wir auf
dem logarithmischen Maßstab meilenweit vom Urknall entfernt ,
aber wir sind bis auf den Bruchteil einer Sekunde nahe dran. An den 4 Kollisionsstellen des Atlas-Detektors
werden durch die Protonenzusammenstöße Temperaturwechsel im
Nanosekundenabständen erzeugt . Die Detektorschichten und ein ausgefeiltes
System von Triggern messen den Impuls und die Energie der Zerfallsprodukte in Raum und Zeit . Es sind
Teilchen und keine Strahlung wie bei Max Planck. Das zugrunde liegende Massenspektrum
Elementarteilchen, der Quarks und Leptonen, ist der wissenschaftliche
Forschungsgegenstand der theoretischen Physik für die nächsten Jahre.
IZ:
Sie unterscheiden beim Atlasdetektor
zwischen Strahlung und
Teilchen. Beim Nachweis de Higgs-Bosons gibt es
verschiedene Zerfallskanäle. Dabei
müssen die Meßsignale vom Untergrund separiert
werden. Der große Erfolg bestand ja
2012 gerade darin, dass beim Zerfall des
Higgsbosons in 2 Gammaquanten mit je 63 GeV das sauberste
Signal detektiert wurde. Es war der
gewaltigste Lichtblitz, der jemals von
Menschenhand in einem Labor erzeugt wurde . Wir werden
bei unserem 2.Interview in
Berlin auf diesen Unterschied
zwischen Strahlung und Teilchen weiter eingehen.
Copyright © 1997 – 2014
Friedrich Moeller